Thomas Rainer

Bucephalus
Alexanders Streitross als Schriftgelehrter – eine Parabel des (non) plus ultra*

In den Notizbüchern des fiktiven libanesischen Historikers Fadl Fakhouri, die die Documenta 11 einer breiten Öffentlichkeit präsentierte, findet sich die Aufzeichnung eines außergewöhnlichen Brauchs. Während des Libanonkrieges versammelten sich Sonntag für Sonntag am Pferderennplatz von Beirut die renommiertesten Zeithistoriker des Landes. Sie schlossen Wetten ab. Ihr Einsatz galt dabei nicht dem siegreichen Pferd, sondern vielmehr der Distanz, die dieses auf dem Zielfoto vom Einlaufpunkt trennen würde. Die Wette gewann, wer diese Distanz am besten schätzte.1 Wie ist jene Decalage zu deuten?

Magisch zieht der Rennplatz der Geschichte die Claqueure an. Grosses Geschrei erhebt sich, um Pferd und Reiter auf der Zielgerade anzuspornen: Plus ultra – weiter hinaus, schneller, schneller, schneller!!! Doch ist das schnellste Ross tatsächlich schon am Ende angelangt? Das Zielfoto mag den aktuellen Sieg entscheiden, niemals aber zeigt es das genaue Ende eines Rennens an. Der Zeitpunkt der Aufnahme des Fotos, welches den Sieg festhält, bleibt vor jedem Rennen unbestimmt. Im Sieg des Pferdes liegt ein Scheitern. Es mag sich noch so sputen, stets versäumt es jenen Augenblick, in dem sich der Beweis des Sieges und das Ende des Rennens decken. Schuld daran trägt nicht der Fotograf, der sich wohl bemühte rechtzeitig den Auslöser zu drücken. Verborgen ist das Maß, das Pferd und Fotograf erlaubt, synchron ihr Werk zu tun. Erst im Nachhinein lässt sich die Distanz vermessen, die am Zielfoto zum absoluten Punkt der Aufhebung des Rennens, seinem non plus ultra, fehlt.2

Am Pacours der Weltgeschichte ist der Sprinter eine tragische Gestalt. So oft am Platz sein Sieg verkündet wurde, das Ende seines Rennens hat er nie gesehen. Verstohlen schielt er jenen zu, welche ihre Wetten auf die Zeit jenseits von Sieg und Niederlage platzieren. Würde er mit ihnen doch die fehlende Distanz zum Ende gern taxieren.

Tatsächlich ist uns die Geschichte eines Rennpferds überliefert, welches die Seite vom Akteur zum Beobachter wechselte. Der ungewöhnliche Gang verrät sein Vorleben in einer Kurzgeschichte Kafkas. Es ist Bucephalus, das Streitross Alexanders des Großen, welches, bevor es mit seinem Reiter gegen Indien zog, in Olympia den ersten Platz beim Pferderennen belegte.3 Doch hören wir zunächst Kafkas Geschichte. Sie beginnt mit den lapidaren Worten: „Wir haben einen neuen Advokaten, den Dr. Bucephalus. In seinem Äußern erinnert wenig an die Zeit, da er noch Streitroß Alexanders von Macedonien war. Wer allerdings mit den Umständen vertraut ist, bemerkt einiges. Doch sah ich letzthin auf der Freitreppe einen ganz einfältigen Gerichtsdiener mit dem Fachblick des kleinen Stammgastes der Wettrennen den Advokaten bestaunen, als dieser, hoch die Schenkel hebend, mit auf dem Marmor aufklingenden Schritt von Stufe zu Stufe stieg.

Im allgemeinen billigt das Barreau die Aufnahme des Bucephalus. Mit erstaunlicher Einsicht sagt man sich, daß Bucephalus bei der heutigen Gesellschaftsordnung in einer schwierigen Lage ist und daß er deshalb, sowie auch wegen seiner weltgeschichtlichen Bedeutung, jedenfalls Entgegenkommen verdient. Heute – das kann niemand leugnen – gibt es keinen großen Alexander. Zu morden verstehen zwar manche; auch an der Geschicklichkeit, mit der Lanze über den Bankettisch hinweg den Freund zu treffen, fehlt es nicht; und vielen ist Macedonien zu eng, so daß sie Philipp, den Vater, verfluchen – aber niemand, niemand kann nach Indien führen. Schon damals waren Indiens Tore unerreichbar, aber ihre Richtung war durch das Königsschwert bezeichnet. Heute sind die Tore ganz anderswohin und weiter und höher vertragen; niemand zeigt die Richtung; viele halten Schwerter, aber nur, um mit ihnen zu fuchteln; und der Blick, der ihnen folgen will, verwirrt sich.

Vielleicht ist es deshalb wirklich das Beste, sich, wie es Bucephalus getan hat, in die Gesetzesbücher zu versenken. Frei, unbedrückt die Seiten von den Lenden des Reiters, bei stiller Lampe, fern dem Getöse der Alexanderschlacht, liest und wendet er die Blätter unserer alten Bücher.“4

Das Studium der Schrift erscheint bei Kafka als beste Alternative zum fortgesetzten Jagen, als Ausweg nach all den Siegen, die doch, obwohl das Ziel vor Augen stand, keinen Halt, kein Ende je versprachen.5 Wo aber, so lässt sich fragen, hat das fabelhafte Ross die Schrift erlernt?

Eine mittelalterliche Miniatur einer wohl in Akko Ende des 13. Jhs. verfassten Handschrift der anonymen französischen Weltchronik „Histoire ancienne jusqu‘à César“, heute in der königlichen Bibliothek in Brüssel, hilft uns weiter.6 Sie zeigt Alexander knieend, hinter ihm Bucephalus, „frei, unbedrückt die Seiten von den Lenden des Reiters“. Vor beiden steht der jüdische Hohepriester Jaddus. In Händen hält er eine Tafel mit hebräischen Schriftzeichen, welcher Alexander seinen Respekt erweist. Bucephalus hat seinen Blick auf die Buchstaben geheftet, das Pferd wird in jenem Augenblick dargestellt, in dem es die Schrift erkennt. Was ist der Hintergrund dieses eigenartigen Bildes?

Die Miniatur ist Teil einer seit der Mitte des 13. Jhs. nachweisbaren ikonographischen Reihe, in der in einzelnen Varianten stets dasselbe Thema, Alexanders Einzug in Jerusalem, verbildlicht wird. Die zentrale Szene dieses Einzugs ist die Begegnung Alexanders mit dem Hohepriester Jaddus vor den Toren der heiligen Stadt. Erstmals hören wir von diesem Ereignis bei Flavius Josephus. Der große jüdische Historiker berichtet in seinen Antiquitates Judaicae, Alexander habe sich nach der Eroberung von Tyrus aufgrund der unterlassenen Hilfeleistung Jerusalems 332 auch gegen diese Stadt gewandt. In höchster Verzweiflung erscheint dem im Tempel residierenden Hohepriester nach intensivem Gebet in der Nacht vor der Ankunft des makedonischen Heeres Gott im Traum. Jaddus solle Alexander am nächsten Tag in der Kleidung des Hohepriesters mit allen übrigen Priestern in festlichem Schmuck und allem Volk in weißen Gewändern bei geöffneten Toren Jerusalems entgegenziehen. Nichts werde dem auf diese Weise von Gott beschützten Volk und seiner Stadt passieren. Jaddus tut wie ihm geheißen. Zur Überraschung des makedonischen Heeres eilt ihm Alexander, sobald er den Hohepriester erblickt, alleine entgegen, kniet vor Jaddus nieder und verehrt den göttlichen Namen, der sich auf der Stirnplatte im Kostüm des Hohepriesters findet. Jaddus führt Alexander darauf zum Tempel, wo er Opfer darbringt. Er präsentiert ihm schließlich das Buch Daniel, in dem die Eroberung des Perserreiches durch einen Griechen prophezeit wird. Alexander bezieht die Prophezeiung auf sich und verlässt Jerusalem ohne Schaden anzurichten. Vielmehr wird von ihm dekretiert, die Juden sollten gemäß ihren alten Gesetzen unbehelligt leben, nicht nur in Israel sondern auch in Medien und Babylonien.7

Es ist jene letzte Passage der Geschichte, das Dekret des Königs „chresthai tois patroois nomois“, sie sollen leben nach den väterlichen Gesetzen, ein Ausdruck, der uns an Kafkas „alte Bücher“ erinnert, welcher das Verständnis der gesamten Episode eröffnet. Verhandelt wird hier nicht eine nebensächliche Begebenheit, ein Kuriosum am Feldzug Alexanders, sonder vielmehr ein Ereignis welthistorischer Bedeutung. Wie Joseph Mélèze Modrzejewski in seinem Buch „Les Juifs d‘Egypte“ deutlich macht, reflektiert die Begegnung Alexanders mit dem Hohepriester das Verhältnis von Hellenismus und Judentum, die Grundlage der gesamten abendländischen Zivilisation.8

In ihrem historischen Kern nicht verifizierbar, entstand die Legende aller Wahrscheinlichkeit nach im 2. Jh. v. Chr., im ptolemäischen Ägypten, in jener Stadt, welche bis heute Alexanders Namen trägt.9 Sie war ein Ausdruck des Ringens der großen jüdischen Gemeinde Alexandrias um Anerkennung ihres Gesetzes, der Thora, der fünf Bücher Moses, durch den hellenistischen Herrscher. So wird in dem wohl gleichzeitig mit der Alexander-Jerusalemlegende ebenfalls im Umfeld der jüdischen Gemeinde von Alexandria entstandenen Aristeasbrief von der Übersetzung der Thora ins Griechische berichtet. Auf Veranlassung von Alexanders zweitem Nachfolger auf dem ägyptischen Thron, Ptolemaios II Philadelphos, hätte der Hohepriester Eleazar eine Delegation von 72 Schriftgelehrten mit den heiligen Büchern der Juden vom Jerusalemer Tempel nach Alexandria geschickt, damit diese dort ihre Übersetzung, die griechische Bibel (später nach der Zahl der Übersetzer Septuaginta genannt) anfertigen. Bei Ankunft der Gelehrten am königlichen Hof werden die Schriften, welche in wertvollen Hüllen geborgen sind, vor dem König entrollt. Dieser verehrt die heilige Schrift und wirft sich siebenmal vor der Thora nieder, die er in den darauf folgenden Tagen durch die Schriftgelehrten in der Art eines Fürstenspiegels auslegen lässt.10

Nun mag man beim Vergleich dieser Überlieferung mit der Jerusalem-Alexanderepisode einwenden, dass doch ein erheblicher Unterschied besteht. Verehrt doch Alexander bei Josephus nicht die Thora, das gottgebebene Gesetz Israels, sondern stattdessen den Namen Gottes, welcher auf der Stirnplatte im Kostüm des Hohepriesters eingraviert ist.

Tatsächlich stellt auch die von uns gezeigte Miniatur Bucephalus und Alexander nicht vor einer Schriftrolle sondern einer Tafel mit hebräischen Buchstaben dar. Die Ikonographie folgt darin getreulich der späteren Überlieferung der Josephusgeschichte in der christlichen Weltchronik. Dort wird berichtet, der Hohepriester sei Alexander mit einer vergoldeten Tafel, ausgezeichnet durch die Inschrift des göttlichen Namens in hebräischer Sprache entgegengetreten.11 Erst bei Kenntnis der in Josephus Geschichtswerk benützten Symbolik verliert der zunächst so augenfällige Unterschied an Bedeutung. Ja auf einer zweiten Ebene gibt eben dieser Unterschied den vollen Sinn der Episode preis.

Für Josephus ist das Kleid des Hohepriesters, dem das Plättchen mit dem göttlichen Namen zugehört, ein Abbild des Kosmos.12 Er folgt darin einer Apologie der Thora, wie sie sich im hellenistischen Alexandria entwickelte. Für Philo von Alexandria, den wichtigsten Vertreter einer solchen Deutung, repräsentiert die Thora das Israel geoffenbarte, göttliche Gesetz, das den gesamten Kosmos regiert. Der Tempel und seine Kultgeräte, die Kleider des Hohepriesters, Leuchter, Tisch der Schaubrote und Bundeslade werden als materieller Ausdruck dieses Gedankens interpretiert. Ihr Plan gleicht dem Plan des Universums, der in der heiligen Schrift niedergeschrieben steht.13

Wenn sich Alexander also in der durch Josephus tradierten Legende vor dem göttlichen Namen im Kleid des Hohepriesters beugt, verehrt er gleichsam das Israel in der Thora geoffenbarte göttliche Gesetz der Schöpfung. Dass diese Deutung der Episode keineswegs an den Haaren herbeigezogen ist, beweist die spätere jüdische Überlieferung.

In den zum Teil auf jüdischen Quellen basierenden, in der Forschung mit den Buchstaben γ und ε bezeichneten Rezensionen des griechischen Alexanderromans von Pseudo-Kallisthenes hören wir folgende Wendung der Geschichte. Alexander bekehrt sich zum jüdischen Gott, den er als Schöpfer der Welt anerkennt. Beim Treffen mit dem Hohepriester ruft er aus: „Wie gottesgleich ist deine Erscheinung! Sag mir, welchen Gott du verehrst. Wessen Diener erscheint in solchem Kleid? Im Falle unserer eigenen Götter habe ich noch nie eine so wohlgeordnete Priesterschaft gesehen.“ Der Hohepriester antwortet: „Wir dienen dem einen Gott, dem, der Himmel und Erde schuf und alle Dinge, sichtbar und unsichtbar. Kein Mensch kann ihn je beschreiben.“ Und Alexander bekennt: „…Dein Gott soll auch der meine sein.“ Als er nach Ägypten zieht und Alexandria gründet, übertrifft der jüdische Gott die Weisheit der Ägypter. Am höchsten Turm der von ihm gegründeten Stadt – wohl eine Anspielung auf das von Ptolemaios I errichtete Weltwunder, den Leuchtturm von Alexandria – gedenkt Alexander darauf jener Formel des Propheten Jesaja, die die synagogale Liturgie in Form des Qeduscha bis heute bewahrt: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere, von seiner Heiligkeit ist die ganze Erde erfüllt (Jes. 6,3). Für nichtig erklärt Alexander alle übrigen Götter der Erde, des Olymps und des Meeres; er proklamiert den Glauben an den einzigen Gott, der unwahrnehmbar, unsichtbar und unfassbar ist, der auf den Serafim reitet und durch den dreifachen Ausruf seiner Heiligkeit glorifiziert wird. „Gott der Götter, Schöpfer aller Dinge, sichtbar und unsichtbar, sei mir offenbart als mein Helfer in allem, was ich unternehme.“, schliesst der Welteroberer sein Gebet auf der Spitze des höchsten Turms der neugegründeten Weltstadt.14

Den Bezug zur Thora macht eine wunderbare Miniatur deutlich, welche, wie das bereits gezeigte Bild aus Brüssel, die Begegnung Alexanders mit dem Hohepriester in einer Handschrift der „Histoire ancienne jusqu‘à César“ illustriert. Heute in der Bibliothèque municipale von Dijon verwahrt, entstanden in Akko um 1260/70, nur wenige Jahre früher als das demselben Umfeld zugehörige Manuskript aus Brüssel, erlaubt die Miniatur, wie ich glaube, einen Blick auf die jüdischen Quellen der Jerusalem-Alexanderikonographie.15 Vergleicht man die Miniatur mit der bereits gezeigten Darstellung aus Brüssel fällt zunächst die grosse Ähnlichkeit der Gesamtanlage auf. Wir erkennen den knieenden Alexander, dahinter das gesattelte Ross Bucephalus, wie in Brüssel frei vom Reiter, allerdings ungerüstet. Hinter Bucephalus ist ein Teil des makedonischen Heeres sichtbar. Bucephalus und Alexander stehen dem Hohepriester und seinem Begleiter gegenüber, die in priesterlichem Ornat mit verdecktem Haupt aus einem Torbogen treten. Aus der Stadtabbreviatur der Miniatur in Brüssel ist der Tempel geworden, wesentlich bedeutender aber ist ein weiterer Unterschied. Anstatt der Tafel mit der Inschrift des göttlichen Namens hält der Hohepriester einen zylinderförmigen Kasten mit pyramidaler Spitze. Es ist dies die realistische Darstellung eines sephardischen Thorakastens, die einzige, die ich aus der mittelalterlichen Kunst der lateinischen Christenheit kenne. Auch in der byzantinischen Ikonographie gibt es dafür keinen unmittelbaren Vergleich, wohl aber sind uns ähnliche Darstellungen der verhüllten, vor der Brust gehaltenen Thorarolle aus der jüdischen Kunst bekannt.16 Kopiert der Miniator der christlichen Handschrift die Szene also von einem jüdischen Vorbild? Ein Detail in der Darstellung des zylinderförmigen Thorakastens weist auf die Quelle des Bildes hin. Auf jeder seiner drei sichtbaren Seiten ist in der Mitte der lateinische Buchstabe S angebracht. Bereits dem ersten Bearbeiter der Miniatur, Buchthal, gelang die Lesung der kryptischen Buchstabenfolge, freilich ohne ihren größeren Zusammenhang zu verstehen. Es handelt sich um die lateinische Abkürzung des „Sanctus“, jenes „Heilig, Heilig, Heilig“, mit welchem Alexander in Analogie zur synagogalen Liturgie in der oben genannten Version des Alexanderromans seinen Glauben an den jüdischen Schöpfergott am Leuchtturm von Alexandria bekennt.

Nun mag man einwenden, dass dieser Gedanke ja auch von einer christlichen Illustration des Alexanderromans übernommen sein könnte. Doch spricht die Singularität der Ikonographie, die genaue Darstellung des Thorakastens, sowie die ungewöhnliche Leserichtung der Miniatur, von rechts nach links, der jüdischen Schreibgewohnheit entsprechend, für eine jüdische Rezeption des Alexanderromans als Quelle des Bildes.17 Ein Blick auf den historischen Hintergrund stützt diese Interpretation. Akko, der von Buchthal bestimmte Anfertigungsort der Miniatur, entwickelte sich im 13. Jh. zu einem Zentrum rabbinischer Gelehrsamkeit. Die Kreuzfahrerstadt zieht jüdische Vertriebene aus ganz Europa, vor allem aber aus England und Frankreich, an, die dort in relativer Freiheit leben. Einer unter ihnen ist Rabbi Yehiel, ehedem Vorsteher der jüdischen Gemeinde von Paris. Als er 1258 in Akko dauerhaft von Bord geht, ist sein Lebenswerk zerbrochen. Auf Betreiben seines zum Christentum übergetretenen renegaten Schülers Donin hatte der König von Frankreich, Ludwig der Heilige, 1240 eine Untersuchung gegen die wichtigste jüdische Schrift nach der Thora, den Talmud, angestrengt. Trotz der brillanten Verteidigung durch Rabbi Yehiel fällt das Urteil des vom König eingesetzten Gerichtes nach vielfältiger Intrige negativ aus. Der Talmud, welcher – wie Rabbi Yehiel verzweifelt erklärt – im Judentum der Thora als von Moses mündlich überlieferte Auslegung des Gesetzes unabdingbar zur Seite steht, wird als häretisch verurteilt. Auf Geheiß des Königs werden alle Niederschriften, deren die königlichen Beamten habhaft werden, verbrannt.18

Die nur wenige Jahre nach Yehiels Tod in Akko entstandene Miniatur steht mit diesen Ereignissen in Zusammenhang. Sie zeigt ein Bild des idealen Königs Alexander, der die Heiligkeit des jüdischen Gesetzes anerkennt. Bildgeworden ist die Utopie des Schriftgelehrten, ein Moment des Innehaltens vor der Allmacht des Gesetzes, ein Moment, welches Ludwig in der Realität der jüdischen Gemeinde versagt.

Das, sollte unsere Vermutung korrekt sein, auf einer jüdischen Quelle basierende Bild des knieenden Alexanders vor der Thorarolle mit dem das Gesetz erkennenden Ross Bucephalus, „frei, unbedrückt die Seiten von den Lenden des Reiters“, führt uns so an den Ausgangspunkt unserer Fragestellung zurück. Es zeigt zugleich Wurzel und Aufhebung jener Decalage, die selbst dem edelsten Streitross der Weltgeschichte seinen Sieg vergällt. Mit der Anerkenntnis eines universal gültigen Gesetzes, als dessen Agent sich Alexander auf der Miniatur erheben wird, wurde eine Türe aufgestoßen, die sich nie mehr schließen ließ: die Allmacht des Gesetzes, das erst der kommende Messias erfüllt. Nur dieser weiß den Augenblick in dem sich Sieg und Ende decken. Welteroberer und Kreuzfahrer aber, sie mögen bis an der Erde Grenzen gehen, stets warnt sie eine Stimme: „Ich war schon da.“ Es ist die Stimme des Gesetzes, das kein Ding auf dieser Erde kennt, was nicht seinem Willen untertan ist.

Alexander freilich mochte die Sache anders sehen. In einem klugen Einschub berichtet Josephus Alexanders Begründung, weshalb er sich dem Hoheprister zu Füssen wirft – sein Heer hält ihn ob dieses Anblicks zunächst für übergeschnappt: Für Alexander war das Bild des Hohepriesters die Bestätigung eines Orakels, welches er noch in Makedonien empfing. Als er überlegte nach Asien überzusetzen, sei ihm eben jene Gestalt mit ihrem prächtigen Ornat im Traum erschienen. Das Traumbild riet ihm damals, nicht zu zögern. Der Hohepriester selbst werde seinem Heer voranschreiten und ihm die Herrschaft über das Perserreich verschaffen. Und Alexander fährt in seiner Begründung fort: „Seit damals habe ich keinen mehr in solcher Kleidung gesehen, und jetzt da ich ihn sehe, erinnere ich mich an meine Vision und die darin gegebene Ermahnung. Ich glaube, diesen Zug unter göttlicher Vorsehung zu führen, ich werde Darius besiegen und die Macht der Perser brechen und ich werde bei allen Dingen erfolgreich sein, die mir vorschweben.“19

Alexander nimmt das Bild des Hohepriesters in seiner prächtigen Kleidung, welches das göttliche Gesetz des Kosmos repräsentiert, als Orakel wahr, das seinen Erfolg als Eroberer der Welt, die eigene Größe bestätigt. Er reiht die Begegnung mit dem Hohepriester jenen Vorzeichen ein, die er auf seinem Zug gegen Osten sammelt, all den Orakeln, welche stets, so nur richtig gelesen, den eigenen Sieg versprechen. Das Gesetz aber ist kein gordischer Knoten, welcher sich zerschlagen lässt. Alexander täuscht sich, wenn er das Bild des Hohepriesters im kosmischen Ornat der Kategorie der Orakel zuschlägt. Der jüdischen Überlieferung war diese Täuschung, die größte seines Lebens, bewusst. Höflich spricht sie der Hohepriester in einer jüdischen Weltgeschichte des 10. Jhs., dem Se¯fär Jôsippôn, an. Nach der freundlichen Begegnung des Hohepriesters mit Alexander äußert letzterer zwei Wünsche. Zum einen möchte er gerne seine Statue im Allerheiligsten errichten, zum anderen will er die Orakelsteine sehen, welche nach alter Überlieferung im Kleid des Hohepriesters verborgen sind. Beide Wünsche schlägt der Hohepriester aus. Unter Hinweis auf das jüdische Gesetz rät er Alexander, statt eine Statue zu stiften, das Geld für Almosen zu verwenden. Die Orakelsteine aber wären heute verborgen. Es sei unmöglich, auf diese Weise sein Schicksal zu erfahren, ein Gebet gebe aber Zuversicht.20 Unter der Herrschaft des Gesetzes hat das Orakel ausgedient, verborgen bleibt die Zukunft bis an das Ende aller Tage.

In einer Hekataios von Abdera entlehnten Anekdote wird dieses Argument pointierter noch bei Josephus selbst, in seiner Schrift Contra Apionem vorgebracht: Der beste Bogenschütze des alexandrinischen Heeres sei ein Jude mit Namen Mosollamos gewesen. Als dieser einst durch einen Seher aufgefordert wurde, stehen zu bleiben, fragte Mosollamos nach dem Grund des Begehrs. Der Seher wies auf einen Vogel hin, dessen Position ihm orakelte, besser sei es, einen Halt einzulegen. Mosollamos griff zum Bogen und schoss den Vogel tot. Der Seher, außer sich, verlangte eine Begründung ob dieser Missachtung des Orakels. Mosollamus antwortete schlicht, den toten Vogel in der Hand: „Wie kann dieser Vogel, der sein eigenes Schicksal nicht voraussah, euch richtiges verkünden?…“21

Mosollamus Warnung im Ohr wenden wir uns der „heutigen Gesellschaftsordnung“ zu. Kafka hat sie brillant beschrieben. Selbsternannte Welteroberer gibt es genug, stets bereit am Parcours der Geschichte die Vergangenheit zu schlagen. Sie fuchteln mit den Schwertern und zeigen auf gar manche Zeichen, die ihnen ihren Sieg versprechen. Ihr Blick ist starr nach vorne gerichtet, doch die Pfade, denen sie geradlinig folgen, verlaufen ins Leere, in eine homogene, leere Zeit, die kein Orakel kennt. „We find no vestige of a beginning – no prospect of an end.“, schreibt der schottische Geologe James Hutton in seiner 1788 veröffentlichten Theory of the Earth, in der sich die Erdgeschichte zum immergleichen Lauf der Zeiger des ewig tickenden Uhrwerks der Naturgesetze verwandelt.22 Alexanders Orakelpriester haben das Feld den Predigern des Fortschritts überlassen. Diese versprechen jeden nur denkbaren Sieg, den Triumph über Krankheit, Alter, Unwissenheit, Armut, Haushaltsarbeit, Terrorismus und Tod, ohne doch je an das Ende der Zeit zu glauben. Walter Benjamin hat in einer beißenden Abrechnung mit dem säkularen Fortschrittsglauben die Spannung zwischen der Wahrnehmung der Fortschrittsheroen als permanente Sieger und ihrem ewigen Scheitern an dem aus der homogenen Zeit genommenen Tor zum Paradies thematisiert. Im Anhang seiner berühmten Thesen „Über den Begriff der Geschichte“ stellt er den Fortschrittsgläubigen zwei Gestalten einer differenten Zeitwahrnehmung gegenüber. In versteckten Rollen haben noch einmal Mosollamus und der vogelbeschauende Augur, Alexander und der Hohepriester einen Auftritt auf dem Parkett der Geschichtstheorie: „Sicher“, schreibt Benjamin, „wurde die Zeit von den Wahrsagern, die ihr abfragten, was sie in ihrem Schoße birgt, weder als homogen noch als leer erfahren. Wer sich das vor Augen hält, kommt vielleicht zu einem Begriff davon, wie im Eingedenken die vergangene Zeit ist erfahren worden: nämlich ebenso. Bekanntlich war es den Juden untersagt, der Zukunft nachzuforschen. Die Thora und das Gebet unterweisen sie dagegen im Eingedenken. Dieses entzauberte ihnen die Zukunft, der die verfallen sind, die sich bei den Wahrsagern Auskunft holen. Den Juden wurde die Zukunft aber darum doch nicht zur homogenen und leeren Zeit. Denn in ihr war jede Sekunde die kleine Pforte, durch die der Messias treten konnte.“23

Wer sind die Wahrsager, deren Geschichtsverständnis Benjamin beschreibt? Gemeint ist die Schar von Auguren, die Alexanders Zug begeleitete. Ihr Schicksal war an das des Königs gebunden. Für jedes Orakel ein neuer Sieg, der die Zukunft erfüllte. Schließlich, angelangt an den Toren Indiens, die Welt zu Füssen, erfährt der König die Vergeblichkeit seines Mühens. Er selbst wird dem toten Vogel gleichen, den der Schütze Mosollamus präsentiert. Im Orakel von Sonne und Mond am Rande der Welt erschüttert ihn die folgende Botschaft: Alexander, deine Heimat Makedonien wirst du nie mehr sehen.24 Zerbrochen ist das Band, das Schicksal und Geschick vereinte. „Heute gibt es keinen großen Alexander“. Auch der Wahrsager hat redlich ausgedient. Wer löst ihn ab in der Ära des Gesetzes, das den König als Weltenherrscher entthront? Folgt man Benjamin ist es ein falscher, kulissenschiebender Zauberer, der eine Zukunft ohne Ende als Spiegeltrick zur Denunziation der Vergangenheit missbraucht.

Der rabbinischen Gelehrsamkeit war der durch Benjamin beschriebene welthistorische Bruch ein locus classicus. Im Seder Olam heißt es: „Alexander der Große regierte zwölf Jahre und starb danach. Bis zu dieser Zeit prophezeiten die Propheten mit Hilfe des heiligen Geistes; von da an aber neige dein Ohr den Weisen zu und höre ihre Worte (Spr 22, 17).“25 Die Prophetie ist mit Alexanders Tod und der Kanonisierung der Thora als universell gültiges Gesetz beendet, derjenige, der weiter prophezeit, geht einen gefährlichen Weg vom Wahrsager zum falschen Propheten. Wer aber sind die Weisen (hakhamim) der oben genannten Stelle? Dem Judentum waren es jene, die das Gesetz, die Thora reflektierten, die im Eingedenken an die Pforte gelangten, durch die der Messias am Ende der Zeit treten mag. Für Benjamin, der ihre Ansicht weiterträgt, ist es der Historiker, der gleich wie Künstler, Poet und Revolutionär, den „Tigersprung ins Vergangene“ wagt. Welcher wie ein Modezar mit der „Witterung für das Aktuelle im Dickicht des Einst“ in einer „Konstellation“ von Gegenwart und Vergangenheit den unerbittlichen Lauf der homogenen, leeren Zeit stillzulegen vermag.26

Das Bild eines solchen Geschichtsgelehrten zeigt uns eine Handschrift, die nur wenige Jahre nach der Alexander-Jerusalemminiatur aus Akko weiter im Osten der damals bekannten Welt entstand. In einem Reich, dessen geballte Macht sich auf dem Weg befand, die Welt bis an ihre äußersten Grenzen zu unterjochen. Ata-Malik Juvaini hat in seiner „Welteroberergeschichte“ das Schicksal dieses Reichs und seines Gründers beschrieben: „[Chingiz-Khan] sallied forth, a single man, with few troops and no accoutrement, and reduced and subjugated the lords of the horizons from the East unto the West…“, „ And indeed, Alexander, who was so addicted to the devising of talismans and the solving of enigmas, had he lived in the age of Chingiz Kahn, would have been his pupil in craft and cunning, and of all the talismans for the taking of strongholds he would have found none better than blindly to follow in his footsteps…“27 1215 schließt der große Khan der Mongolen die Eroberung von Chinas Norden ab, 1219-1225 erobert er das Reich der Chwarizmshah, den Norden Persiens. Seine Söhne und Enkel treten das Erbe des Welteroberers an. Ögödei (1185-1241) unterjocht Korea, Georgien, Armenien, Westasien und Russland. Qubilai Khan (1215-1294), der Enkel, verleibt sich das gesamte China ein, dessen Bruder Hülegü (1255-1265) konsolidiert die Herrschaft über den Iran, das alte Perserreich, vernichtet Alamut, die Hauptburg der Sekte der Assassinen – legendenumwoben aufgrund ihrer Selbstmordattentate und dem „Alten vom Berge“ – bringt 1258 Bagdad mit seinem letzten Kalifen zu Fall und stösst 1260 bis an die Tore Jerusalems vor.28 Noch ein zweiter Alexander?

Gemeinsam mit dem bereits erwähnten Historiograph Ata-Malik Juvaini (1226-1283) erscheint Hülegü oder aber sein Großvater, Dschingis Khan auf dem doppelseitigen Frontispiz einer 1290, zehn Jahre nach dem Tod des Historikers, verfassten Handschrift, die dessen „Welteroberergeschichte“ mit einem Autorenporträt einleitet.29

Der Historiker hat unter einem Granatapfelbaum Platz genommen, auf die Knie gestützt die Schreibtafel, über die sein Griffel fährt. Vor ihm, getrennt durch die Abbreviatur eines Fischteichs, der stehende, mongolische Herrscher, gekleidet in chinesisches Brokat, die rechte Hand erhoben, die Finger in feiner Geste weisend. Die Szene wird auf der rechten Seite ergänzt um ein ruhig stehendes, hellblau gefärbtes Pferd mit königlichem Sattel, dessen Decke ein Löwe und die Sonne ziert. Das Ross ohne Reiter wird von einem Diener gehalten, der am Grasboden sitzt. Über dem Rücken des Pferdes verfolgt ein Greifvogel einen Kranich, darüber im Himmel einige Wolken im chinesischen Stil. Eine seltsam brüchige Ruhe geht von diesem Frontispiz der Welteroberergeschichte aus.

Wie von allen bisherigen Bearbeitern der Miniatur bemerkt, ist die Komposition des doppelseitigen Titelblatts durch ein Zusammenspiel heterogener Elemente bestimmt.30 Erscheinen Herrscher und Schriftsteller gemeinsam am Beginn eines Buches, so ist ihr Verhältnis üblicherweise mit einer Dedikationsszene umschrieben. Der Autor widmet dem thronenden Herrscher sein vollendetes Werk, das er devot, knieend oder sich verneigend, darbringt. Das Verhältnis könnte hier nicht anders sein. Der Konvention des Widmungsbilds entgegen erscheint der Autor versunken bei der Arbeit, er sitzt, der Herrscher tritt stehend hinzu, die Hand in sprechender Geste erhoben. Ettinghausen gelang es die antike Wurzel dieses Schemas aufzudecken. Es handelt sich um eine in der Spätantike nicht selten als Titelblatt gebrauchte Formel, die den Autor versunken bei der Arbeit einer stehenden Muse, der Quelle seiner Inspiration, gegenüberstellt.31 Aus der Muse ist in unserem Bild der Welteroberer geworden. Was steckt hinter dieser Wandlung? Man hat versucht die Szene als realistisches Diktat zu deuten, in dem der Herrscher seinem Beamten – Juvaini war durch Hülegü als Statthalter von Bagdad und dem Irak eingesetzt – in einer Reisepause den Bericht über seine Taten notieren lässt.32 Diese Deutung greift freilich zu kurz. Sie missachtet den symbolischen Gehalt der Szene, welcher sich in einer Reihe keineswegs genrehafter Beifügungen zu Autor und Eroberer manifestiert: im Fischteich, im Granatapfelbaum mit seinen chinesischen Blüten, im kranichjagenden Falken und schließlich im ruhig stehenden Pferd mit der Sonnen-Löwensatteldecke. Einer Untersuchung von Teresa Fitzherbert zustimmend, meine ich, dass diese Elemente die Miniatur als bildlichen Kommentar zu Juvainis historischem Werk offenbaren. Verhandelt wird die Reflexion des Autors über den unerbittlichen, unergründlichen Lauf der Zeit „on fate, death, the wisdom of silence and the certainty of judgement.“33 Wie ist das Verhältnis des Historikes zum Welteroberer angesichts des Mongolensturms, der seine persische Heimat überrannte? Anstatt ihn am Titelbild zu akklamieren, tritt er als Muse auf. Der Zwang am Rennplatz der Geschichte die eigene Wette zu platzieren, Sieg oder Niederlage abzuschätzen, sich dem Galopp mit lautem Anfeuerungsruf anzuschließen, oder aber mit erstarrten Schreckensblick und letztem Hilfeschrei voll Panik die nahende Niederlage zu konstatieren, scheint suspendiert, aufgehoben in der Ruhe historischer Reflexion. Die Geschichte nimmt ihren Lauf, doch davon unabhängig ist die Zeit, sie zu bedenken. Der Dialog von Historiker und Welteroberer gleicht der Rahmenhandlung der Märchen von Tausend und einer Nacht. Um den Ausgang der einen Geschichte aufzuschieben, entspinnt sich Nacht für Nacht ein Dialog von König und zum Tode verurteilter Geliebter, der das Urteil und das Ende in die Ferne rückt. Dazwischen tritt das poetische Gewebe. Seine Zeit entspricht dem wartenden Pferd des Welteroberers auf der rechten Seite. Vergleichen wir das Bild mit unserem Ausgangspunkt, einem Zielfoto vom Rennplatz in Beirut, eingeklebt in das Notizbuch des Historikers Fadl Fakhouri. Der Vergleich verblüfft. In beiden Fällen handelt es sich um eine Momentaufnahme, in beiden Fällen ist eine Zeitdistanz, ein Rennen, das Thema. Während dieses allerdings am Foto das Pferd und seinen Jockey betrifft, die in wildem Galopp den Einlaufpunkt zu erreichen suchen, ist am rechten Folio der Handschrift dieses Jagen auf Falke und Kranich ausgelagert. Das Pferd steht still mit seinem Diener, es unterläuft das Rennen, der Augenblick dehnt sich zur Ewigkeit, zu einem Raum, der sich im Himmel zwischen Falke und Kranich zu den Wolken im chinesischen Stil hin öffnet.34

Woher kommt dieses ruhende Pferd, das mit seinem Diener wartet? Richard Ettinghausen und Grace D. Guest haben ihm in einer ikonographischen Studie der berühmten „Kashan Luster plate“ aus der Freer Gallery of Art (No 41.11) eine monographische Untersuchung gewidmet.35 Sie leiten das gesattelte Pferd mit Diener vom persischen Hofzeremoniell ab, eine Ableitung, die sich auf sassanidische Reliefs mit thronendem Herrscher und Pferde präsentierender Hofgarde stützen konnte. Die These mag die höfische Herkunft des Motivs korrekt bezeichnen, den eigentlichen Sinn trifft sie aber nicht. Von Ettinghausen und Guest wurde nicht beachtet, dass die sassanidischen Reliefs den Diener mit dem Pferd stets heranschreitend oder stehend zeigen. Sowenig aber wie auf der linken Seite des von uns behandelten Manuskripts eine Dedikationsszene des Autors vor thronendem Herrscher dargestellt wird, sowenig verbildlicht die Rechte das dem König im Hofzeremoniell von einem stehenden Beamten präsentierte Pferd. Die Herkunft von wartendem Ross und sitzenden Diener ist woanders zu suchen.

Wo, das zeigt ein außergewöhnlicher archäologischer Fund aus den Weiten der asiatischen Steppe, der seit dem 18. Jh. in der sibirischen Sammlung von Zar Peter dem Grossen in St. Petersburg verwahrt wird. Es handelt sich um zwei goldene Gürtelschmuckplatten, die jeweils seitenverkehrt dieselbe Szene darstellen. Unter einem Baum sitzt eine Dame, in ihrem Schoss ruht flach ausgestreckt ein Reiter, sein Bogen hängt am Baum. Verdeckt von seinen Füssen sitzt neben ihm ein Diener, der zwei ruhig stehende gesattelte Pferde an der Leine hält. Das Grundgerüst der Szene entspricht der späteren Miniatur, beinahe alle Elemente sind vorhanden: Ausgetauscht wird lediglich die Frau durch den schreibenden Historiker und der ruhende Mann durch den weisenden Welteroberer. Eines der beiden Pferde fällt weg, Greifvogel und Kranich ergänzen die Szene. Die auffällige Parallele zwischen der Miniatur und den beiden Schmuckplatten führt uns weit zurück. Als gesichert kann heute gelten, dass ihr Fund aus dem Gebiet des Altai stammt, aus dem 5. oder 4. Jahrhundert vor Christus, lange vor dem die Mongolen von dort aus ihre Welteroberung begannen.36 Die Schmuckplatten zeugen von einer Kunst deren Grundthema Jagd und Tierkampf ist. Ihre Ikonographie entstand in Wechselwirkung mit der Kunst des alten Persiens, von wo wir sehr ähnliche Jagd und Tierkampfmotive kennen. Die Motive bilden dort das Repertoire der Heldenepen, in deren höfischen Kontext die alte Ikonographie über viele Zwischenstufen bis in die Buchmalerei des iranischen Mongolenreichs weitertradiert wurde.37 Das Motiv des ruhig stehenden Pferdes, gehalten vom sitzenden Diener gehört in diesen Zusammenhang. Seinen ursprünglichen Sinn lässt uns die hier gezeigte Schmuckplatte erahnen. Wenn uns auch eine genaue Bezeichnung der dargestellten Szene fehlt, so scheint doch klar, dass es sich um ein Liebesthema handelt – wie so oft in den Versen der Epen von fürstlich jagenden Kriegern erzählt. Einig sind sich die Interpreten ob der idyllischen Bukolik der Szene, sie schwanken aber die liegende Stellung des Helden als Lähmung, als Anzeichen seines Todes oder als versunkene Ruhe nach der Liebe zu deuten. Der große russische Althistoriker Rostovtzeff lässt die Frage offen: „Romance and love found early access into the life of the great heroes…not all the heroes jealously kept their chastity like Mithras. Some of them had their love affairs, their wives, their mistresses…the hero is resting (or dead) after his exploits.“38

Rostovtzeffs Überlegung bringt uns der Deutung der beiden Pferde näher. Ihre Ruhe korreliert mit Ruhe nach vollbrachter Tat. Die Spannung der Zügel ist der lockeren Warteschleife gewichen. Doch auf was warten beide Pferde nun?

Zur Beantwortung dieser Frage sei uns ein Exkurs in das jüngste Buch von Giorgio Agamben erlaubt. Ausgehend von einer Überlegung Benjamins betrachtet Agamben ein Bild von Tizian. In der „Nymphe und dem Schäfer“ aus Wien sieht er das Sinnen der Liebenden nach ihrem Liebesspiel thematisiert, die Überschrift des dazu verfassten Kapitels „Dèsœuvrement“ – Untätigkeit, Müßiggang – könnte nicht besser unsere Schmuckplatte charakterisieren.39 Das Innehalten der Liebenden führt den ruhenden Helden, einen „Strick und Tagedieb von träumenden, faulenzenden Monsieur Faulpelz“ um Robert Walsers Worte zu gebrauchen40, einem Zustand zu, der sich mit dem der Post-histoire vergleichen lässt. Agamben begreift das Fortlaufen der Geschichte als Versuch des Menschen seine „Animalitas“ zu zähmen. Es ist dieses Streben das im Moment des Sinnens nach getaner Liebe aufgehoben wird. Das Pferd steht still, jeder Aufgabe ledig.

Einst wurde es gezähmt zum Zeichen, dass der Mensch die Natur, die ihm gegenüberstehende Welt, bis an ihre äußersten Grenzen zu unterjochen vermag. Alexander zähmt das Menschen verschlingende Ross Bucephalus, das seinen eigenen Schatten scheut. Gefangen in der Unkenntnis des eigenen Seins, ausgeliefert seinem Schatten duldet es keinen Reiter. Erst als Alexander seinen Blick gegen die Sonne wendet, verschwindet mit dem Schatten die Angst, beginnt die verhängnisvolle Geschichte von Ross und Reiter, vom Mensch am Rücken des Tieres. Sie gleicht einer blinden Jagd nach dem Sinn des eigenen Seins, der sichtbaren doch unerreichbaren Sonne entgegen. Ausgeblendet wird der Schatten des Pferdes, der stets vorhanden bleibt, wenn er auch nie mehr in das Blickfeld von Ross und Reiter treten soll. Das Streben ihn zu löschen, gebiert die Weltgeschichte, wie es in einem frühen Orakel der Alexanderlegende heißt: „Such dir ein Reich, mein Sohn, das deiner würdig ist, denn Makedonien ist für dich nicht groß genug.“, ruft Philipp, der Vater aus, als er Alexander im Sattel des Bucephalus erblickt.41 Es ist ein Orakel und ein Fluch. Der Mensch der selbst zur Sonne werden will, scheitert am eigenen Leben. Das Reich, das ihm angemessen scheint, die Welt, sieht er stets vor Augen und kann sie dennoch niemals zur Gänze beherrschen. Stets klebt ihm der Schatten des Pferdes an den Fersen. Mit jeder Grenze, die er überschreitet, glaubt er ein Territorium für sich abzustecken, das ihn von diesem Schatten trennt. Doch willkürlich sind die von ihm gesetzten Marken, die Grenze zwischen nacktem Leben und menschlichem Sein, die Reichweite des verdrängten Schattens bleibt ihm verborgen. Seine Welt ist aus Willkür geboren. In Willkür endet sie. Alexander stirbt am Gift des Freundes, die Geschichte aber, die mit ihm das Licht der Welt erblickt, sie lebt fort bis in unsere Tage. Bucephalus war das Schicksal eines frühen Todes nicht vergönnt.42

Kafka hat das alte Ross beschrieben. Lange liegt die Zähmung schon zurück. Reiter gibt es nach wie vor genug, doch ihre Ziele sind nicht weniger willkürlich gesteckt als die des großen Alexanders. Ganz im Gegenteil, die Richtung, die das Königsschwert noch wies, sie ist nun auch verloren. Im Leerlauf dreht sich die „machine anthropologique“, die in fortgesetztem Jagen Mensch und Tier dem gemeinsamen Schatten gleicher Existenz entreißen will.43 Führt von hier ein Weg zurück? Kafka hat die Möglichkeit erwogen. In einem Fragment berichtet er, dass der Advokat Dr. Bucephalas eines Tages, ganz unvorhergesehen zu einem Prozess gerufen wird, der auf unbestimmte Dauer Tag und Nacht verhandelt wird. Der Kläger ist sein Bruder, Angeklagter eine Firma mit dem eigenartigen Namen Trollhätta. Verballhornt wird dabei der Name Atta Troll. Als Gegenspieler des Bucephalus erscheint der Tanzbär aus Heinrich Heines Dichtung „Atta Troll – ein Sommernachtstraum“.44 Auch er wurde von Menschenhand gezähmt, eine Gefangennahme die er stets als ungerechte Schande empfindet. Er nimmt Reißaus zurück in seine Pyrenäenhöhle, in eine Welt der Nostalgie, um an der Kugel eines Jägers in der ersehnten Freiheit der niemals wiedererlangten glücklichen Wildnis zu sterben. Den Menschen wirft er vor: „…am meisten ärgert mich der exklusive Hochmut jener aufgeblas‘nen Wesen, wenn sie Weltgeschichte schreiben. Niemals ist von unser einem hier die Rede, kaum erwähnen sie den Namen eines Pferdes, das getragen ihre Könige.“45 Der Mensch, er reitet am Rücken eines Pferdes, das er vorzieht nicht zu kennen. Der Knecht hat keinen Namen außer Knecht. Unversöhnlich ist für Atta Troll das Verhältnis von Tier und Mensch, die Erhebung des einen hat die Auslöschung des anderen zur Folge.

Was kann Bucephalus darauf antworten. Es ist eine Geschichtsschreibung, die den Zwang zum Fortschritt als Auslöschung des Tieres überwindet. Wie lässt sich diese denken. Bucephalus hat erfahren – ähnlich wie der Affe Rotpeter, der dies den versammelten Herrn der Akademie erklärt – , dass der Weg zurück zur tierischen Existenz nur eine kühne Illusion von Freiheit bietet.46 Wer den Menschen einmal auf den Schultern trägt, kann sich seinem Gesetz durch Flucht nicht mehr entziehen. Auch den entferntesten Flüchtling und sei er in der tiefsten Pyrenäenhöhle, trifft des Menschen Bann. Wo die Flucht kein Ausweg ist, bleibt nur die Rast.

Zur Verdeutlichung des Charakters dieses Innehaltens sei noch einmal auf die Rahmenhandlung von Tausend und einer Nacht verwiesen. Ihr prekäres Gleichgewicht zeigt eine Miniatur, die das Thema des wartenden Pferdes aus der persischen Buchmalerei in die Kunst des indischen Subkontinents überträgt. Das prächtig gesattelte Ross an der Warteschleife des sitzenden Dieners „frei von den Lenden des Reiters“ erscheint in den Illustrationen der Lalita Ragini, einer der 36 klassischen Melodien der indischen Musik, die seit dem 16. Jh. nicht selten als Liebesszenen verbildlicht werden. Eine Seite aus einem Bilderalbum einer Ragamalaserie, entstanden in der Umgebung von Jaipur zwischen 1725 und 1750, stellt die Lalita Ragini dar: It is depicted „as a handsome hero departing the bedchamber of his beloved at dawn, as the early morning sun, painted with a human face, breaks through misty clouds. Standing before a light green field holding two flower garlands (one now effaced), the hero remembers the passions of the previous night; he glances back at his beloved, who lies asleep on a couch. A maid cools her mistress with a fan, modestly pulling a scarf over her face to avoid the hero’s gaze. A groom, a horse, and a musician wait patiently near the stair-case in the foreground.“47

Der Blick zurück, weg von der sich erhebenden Sonne, wendet das Fortschreiten für einen Augenblick ab. Es ist der Augenblick der Entscheidung, in dem der königliche Liebhaber in Tausend und einer Nacht seiner Geliebten Schehrezad einen Aufschub bis zur Vollendung ihrer unvollendeten Geschichte in der nächsten Nacht gewährt. Auch diese wird unvollendet bleiben, als Muse erschöpft sich die Geschichte nie; der Blick zurück, getragen von einer stets die volle Erkenntnis verfehlenden Neugier, hält die fortschreitende Zeit tausend und eine Nacht lang still. Es ist dieses Thema, das der oberhalb der Miniatur platzierte Text bespricht: Beim Abschied des Geliebten täuscht die Geliebte Ärger vor. Sie fällt in Ohnmacht. Ihre Dienerin bittet den Hinausschreitenden um Hilfe. Auf seine Frage an die Geliebte: „What is your problem, can you say? She answers not, is silent and hides [her] face – just like a clever composition. Such is a way to entice the beloved“ Dieser steht still „Not able to move his feet, he gazes passionatly at the helpless lady.“48

Das wartende Ross weiß den ewig dauernden Augenblick zu nützen. „Hoch die Schenkel hebend“ steigt es „von Stufe zu Stufe mit auf dem Marmor aufklingenden Schritt“ empor. Die Tore, sie mögen heute weiter und höher vertragen sein, eine seltsame Dichotomie zeigt ihre Öffnung an. Die Stufen, vor denen Bucephalus mit Diener und Musiker in der Miniatur aus Jaipur steht, sind in einer analogen Miniatur desselben Themas aus dem Deccan durch einen Torbogen gefasst.49 Auf den ersten Blick scheint dieser durch einen Rollladen verschlossen, doch täuscht die Perspektive. Eigentlich steht das Tor weit offen, verschlossen ist es nur durch die Stufen der Treppe, die der Miniator ohne Verkürzung übereinander staffelt. Bucephalus hat die trügerische Natur des Tors, das je nach der Art des Blicks zwischen Offen und Geschlossen kippt, durchschaut. Sein Blick schließt und öffnet ihm das offene Tor. Das Paradox, welches bei Kafka dem Diener vom Land den Zutritt zum Gesetz verwehrt, ihn verdammt zum Warten bis ans Lebensende, löst sich in der wunderbaren Miniatur aus dem Deccan ganz einfach auf. Bucephalus tritt aus der Zeit heraus in dem Augenblick, in dem die Geschichte in ihrer eigenen Reflexion innehält. Das Pferd hat einen Huf erhoben, bereit die Stufen zur Muse zu erklimmen.50

*Erstabdruck in: Stefan Bidner, Thomas Feuerstein (Hg.), Plus ultra. Jenseits der Moderne?/Beyond Modernity?, Frankfurt 2005, S. 353 - 370.

1 Das Zielfoto der sonntäglichen Pferderennen, das die Errechnung der Distanz erlaubte, wurde jeweils in der libanesischen Tageszeitung Al-Nahar abgedruckt. Fadl Fakhouri, respektive sein Erfinder, der libanesische Künstler Walid Raad/The Atlas Group, schnitt dieses Zeitungsfoto aus, klebte es in ein Notizbuch und zeichnete darauf das fehlende Stück von der Schnauze des Pferdes zur Zielmarke ein. Hinzugefügt wurde eine genaue Messung der Distanz, eine sich aus dem Durchschnitt der Siegerzeit des Pferdes ergebende Berechnung der noch verbleibenden oder bereits verstrichenen Zeit zum Augenblick des Passierens der Zielmarke, sowie eine Reihung der wettenden Historiker nach dem Ergebnis ihrer vor dem Rennen abgegebenen Schätzung. Schließlich wurde der Eintrag zu jedem Rennen um eine kurze Charakterisierung des siegreichen Historikers ergänzt. Vgl. Documenta11_Plattform5: Ausstelllung. Katalog, Kassel 2002, The Atlas Group, S.183.Zu Walid Raads Technik fiktiver Geschichtsschreibung siehe Lee Smith, „Missing in Action. The Art of the Atlas Group/Walid Raad“, in: Artforum International, February 2003 und Janet A. Kaplan, „Flirtations with Evidence“, in: Art in America, October 2004, S.134–139, 169.

2 Das dahinter verborgene, grundsätzliche Problem der Existenz oder Nicht-Existenz einer vom Beobachter unabhängigen, kontinuierlichen und geradlinigen Zeit wurde erstmals durch den Kyniker Zenon von Elea in seinem berühmten Paradox vom Rennen des Achilles mit der Schildkröte beschrieben. In der Moderne griff die Quantenphysik diese Problemstellung wieder auf.

3 Die legendenhafte Teilnahme am Pferderennen der antiken, olympischen Spiele, deren modernes, dem 19.Jh. geschuldetes Motto „citius, altius, fortius“ das oben genannte „plus ultra“ paraphrasiert, berichtet die syrische und eine byzantinische Version des Alexanderromans. Vgl. dazu Andrew Runni Anderson, „Bucephalas and his legend“, in: American Journal of Philology, 51, 1, 1930, S.1–21, bes. S.14.

4 Franz Kafka, Drucke zu Lebzeiten, hrsg. v. Hans-Gerd Koch, Wolf Kittler und Gerhard Neumann, Frankfurt a. Main, 1994, S.251–252. Die Geschichte erschien erstmals 1920 unter dem Titel „Der neue Advokat“ in dem Band Ein Landarzt. Kleine Erzählungen im Rowohlt-Verlag bei Kurt Wolff.

5 Die Arbeit Atopia, 2000. Print on demand: http://www.xcult.ch/leviathan/pm.html von Thomas Feuerstein lässt sich als Emblem der von Kafka geschilderten, problematischen Situation des Dr. Bucephalus in der Gegenwart lesen. Die berühmte Darstellung der Alexanderschlacht von Albrecht Altdorfer erscheint darin in ein Panorama des rastlosen Jagens innerhalb der „heutigen Gesellschaftsordnung“ verwandelt.

6 Bruxelles, Bibliothèque Royale 10175, f.216v, vgl. C.Gaspar, F.Lyna, Les principaux manuscrits à peinture de la Bibliothèque royale de Belgique, 1ère partie, Bruxelles, B.R. Albert 1er, 1984, S.247, H. Buchthal, Miniature Painting in the Latin Kingdom of Jerusalem, Oxford 1958, S.69–70 und 76, sowie Doris Oltrogge, Die Illustrationszyklen zur „Histoire ancienne jusqu‘à César“ (1250–1400), Frankfurt a. M/Bern/New York 1989, S.108 und Christiane Raynaud, „Alexandre et Jérusalem“, in: Mythes, Cultures et Société. XIIIe – XVe siècles, Paris 1995, S. 297–322. Von Buchthal wird die Anfertigung des Manuskripts um 1270/1280 in Akko vermutet, später gelangte das Manuskript nach Zypern. Als Schreiber signiert ein Bernat d’Acre.

7 Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae, XI, 8.4–6.325–339.

8 Joseph Mélèze Modrzejewski, The Jews of Egypt, Princton University Press 1995 (orig. frz.1992), S.47–55.

9 Diese zeitliche und örtliche Einordnung folgt Arnaldo Momigliano, „Flavius Josephus and Alexander’s Visit to Jerusalem“, in: Athenaeum, 57, 1979, S.442–448, sowie neuerdings Richard Stoneman, „Jewish Traditions on Alexander the Great“, in: Studia Philonica Annual, 6, 1994, S.37–53. Vgl. dagegen die unterschiedliche Einschätzung von Shayle J. D. Cohen, „Alexander the Great and Jaddus the High Priest According to Josephus“, in: AJS Review, 7–8, 1982 – 83, S.41–68 (Palestine, 2H. 2 Jh.v.Chr.) oder Jonathan A. Goldstein, „Alexander and the Jews“, in: American Academy for Jewish Research. Proceedings, 59, 1993, S.57–101 (Jerusalem um 200 v. Chr.).

10 Modrzejewski, 1995, S. 99–106. Vgl. auch Oda Wischmeyer, „Das heilige Buch im Judentum des Zweiten Tempels“, in: Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft, 86, 1995, S. 218–242, bes. 224–225.

11 In der „Histoire ancienne jusqu‘à César“ heisst es unter der Rubrik „Wie Alexander vor dem Namen Gottes niederkniet“: „Als Alexander den Bischof [gemeint ist der Hohepriester], der große Angst hatte, in weißen Gewändern vor allen anderen herkommen sah, und als er auch den Namen unseres Herrn auf der goldenen Tafel geschrieben sah [der kurz zuvor als in hebräischer Sprache bezeichnet wird], die hoch erhoben wurde, da stieg er vom Pferd ab und kniete vor dem Namen unseres Herrn und vor dem Bischof nieder.“ Übersetzung leicht modifiziert nach Oltrogge 1989, S.203, Anm.634 (dort auch der originale, französische Text).

12 Douglas R.Edwards, „The Social, Religious, and Political Aspects of Costume in Josephus“, in: The World of Roman Costume, hrsg. v. Judith Lynnn Sebesta and Larissa Bonfante, Wisconsin 1994, S. 153–159, bes. 157.

13 Wanda Wolska, La topographie chrétienne de Cosmas Indicopleustès. Theologie et science au Ve siècle, Paris 1962, S.113–118; André Myre, „La loi de la nature et la loi mosaïque selon Philon d‘Alexandrie“, in: Science et Esprit, 28, 2, 1976, S. 163–183; Robert Jan van Pelt, Tempel van de wereld. De kosmische symboliek van de Tempel van Salomo, Utrecht 1984.

14 Zu den Rezensionen γ bzw ε des Alexanderromans von Pseudo-Kallisthenes vgl. Gerhard Delling, „Alexander als Bekenner des jüdischen Gottesglauben“, in: Journal of the Study of Judaism, 12, 1, 1981, S. 1–51, bes. 3–26; Goldstein, 1993, S. 67–70 und Stoneman, 1994, S. 46–48. Es ist kein Zufall, dass der 1776 Fuß hohe Turm des Entwurfs von Daniel Libeskind zur Neubebauung der World Trade Center Site mit seiner Höhe an das Datum der Declaration of Independence erinnert. In der Tradition der Alexanderlegende wird am Turm der Weltstadt das universelle Gesetz proklamiert, aus dem das Weltreich seine Legitimität bezieht. Der Turm ist ein Verfassungsmonument.

15 Dijon, Bibliothèque municipale, ms 562, fol.170 v., vgl. Buchthal, 1958, S. 69 und 76, Oltrogge, 1989, S. 10 und Raynaud, 1995, bes. S. 305.

16 Vgl. Raynaud 1995, S. 305. Zahlreiche Abbildungen sephardischer Thorakästen, hebr. Tik, finden sich in der Dissertation von Bracha Yaniv, The Torah Case. Its History and Design, Bar-Ilan University Press 1997 (hebräisch), vgl. bes. die Abb. auf S. 54, 128 und 164. Zum Bild der im Mantelsaum präsentierten, verhüllten Thorarolle in der jüd. Kunst vgl.Elisabeth Revel-Neher, The Image of the Jew in Byzantine Art, Oxford 1992, Abb.63 und Vivian B. Mann, „Sephardic Ceremonial Art“, in: Crisis and Creativity in the Sephardic World 1391–1648, hg. v. Benjamin R. Gampel, Columbia University Press 1997, S. 296–299, Abb. 15.12.

17 Sowohl von der Version γ wie ε des griechischen Alexanderromans haben sich aus dem MA freie Übersetzungen ins Hebräische erhalten. Eine hebräische Version des Alexanderromans, die auf der Übersetzung einer lateinischen Handschrift basiert, weist dabei Bildunterschriften auf, was die Annahme illustrierter hebräischer Romanhandschriften zusätzlich unterstützten könnte. Vgl. J.-H. Niggemeyer, „Lemma Alexander d. Gr., XI. Hebräische Literatur“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Sp.365–366.

18 Zu Rabbi Yehiel, seiner Emmigration nach Akko und der Verbrennung des Talmuds vgl. den Sammelband, Gilbert Dahan (Hg.), Le brûlement du Talmud à Paris 1242–1244, Paris 1999, bes. Aryeh Graboïs, „Une conséquence du brûlement du Talmud à Paris: le développement de l‘école talmudique d‘Acre“, S. 47–56. Für den Hinweis auf dieses Ereignis und eine Reihe weiterer, wertvoller Anregungen bin ich meinem Bruder Michael dankbar.

19 Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae, XI, 8.5.334–336.

20 Stoneman, 1994, S. 41–42, dort die Angabe der relevanten Edition.

21 Flavius Josephus, Contra Apionem, 1, 201ff.; vgl. Friedrich Pfister, „Alexander der Große in den Offenbarungen der Griechen, Juden, Mohammedaner und Christen“, urspr.1954, wiederabgedruckt in: Kleine Schriften zum Alexanderroman, Meisenheim a. Glan 1976, S. 301–347, speziell S. 322–323 und Stoneman, 1994, S. 45.

22 James Hutton präsentierte seine „Theory of the earth“ erstmals 1785 an der Royal Society of Edinburgh, in deren Proceedings die Vorlesung drei Jahre später erschien. Eine auf 2 Bde. erweiterte Ausgabe wurde 1795 veröffentlicht. Vgl. Norman Cohn, Noah‘s Flood. The Genesis Story in Western Thought, Yale, 1996, S. 102.

23 Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, hrsg. v. Wolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt am Main 1991, S. 704.

24 Vgl. Pfister, 1976, S. 313 und Christiane Raynaud, „Alexandre et les Dieux“, in: Mythes, Cultures et Société. XIIIe – XVe siècles, Paris 1995, S. 251–276, bes. S. 263–265.

25 Chaim Milikowsky, „The End of Prophecy and the Closure of the Bible in Judaism of Late Antiquity“, in: Sidra, 10, 1994 (hebräisch mit engl. Zusammenfassung).

26 Vgl. Benjamin, Gesammelte Schriften, S. 701–702. Das Problem des Weisen in der nachprophetischen Zeit berührt das Fortleben der prophetischen Gabe im Historiker und Philosoph der Moderne, wie es von Aby Warburg in einer Gegenüberstellung von Nietzsche und Burckhardt als zwei verschiedene moderne Verwandlungen des Propheten exemplarifiziert wurde. Vgl. dazu Georges Didi-Huberman, L’image survivante. Histoire de l’art et temps des fantomes selon Aby Warburg, Paris 2002, S.126–141, sowie die Überlegungen von Giorgio Agamben, Le temps qui reste, Paris 2000 (orig. it.), S. 99–103 (zur Differenz von Prophet und Apostel).

27 Beide Zitate finden sich in Juvainis Text unmittelbar nacheinander, wobei der hier an zweiter Stelle genannte Vergleich mit Alexander bei Juvaini vorangestellt wird. Vgl Ata-Malik Juvaini, Ghengis Khan. The History of the World-Conqueror, hrsg. und übers. v. J.A. Boyle, Manchester University Press 1997, S. 24.

28 Der kurze historische Abriss folgt Morris Rossabi, „The Mongols and Their Legacy,“ in: Ausst.-Kat. The Legacy of Genghis Khan. Courtly Art and Culture in Western Asia, 1256–1353, Metropolitan Museum of Art, New York 2002, S. 13–35.

29 Tarikh-i jahan-gusha (History of the World Conqueror), kopiert von Rashid al-Khwafi, beendet A. H. 4 Dhu‘l-hijja 689/8.Dez. 1290 n. Chr., Herkunft: wahrscheinlich Irak (Bagdad), Bibliothèque Nationale de France, Mss.or., Suppl. persan 205, f.1v.–2r. Die Identifikation der sitzenden Autorengestalt mit Juvaini ist in der Forschung unumstritten, eine später hinzugefügte Inschrift bestätigt sie. Für den stehenden Herrscher wurden verschiedene Deutungen vorgeschlagen. Zum einen Hülegü aber auch sein Nachfolger Abakha Khan (1265–1282). Unter beiden diente Juvaini als Beamter. Erwogen muss meiner Ansicht nach auch ein Portät des Haupthelden von Juvainis Geschichtswerk, Dschingis Khan selbst, werden.

30 Vgl.Richard Ettinghausen, „On Some Mongol Miniatures“, in: Kunst des Orients, 3, 1959, S. 44–65, bes. 44–52; Marianna S. Simpson, „The Role of Baghdad in the Formation of Persian Painting“, in: C. Adle (Hg.), Art et société dans le monde iranien, Paris 1982, S. 91–116, v.a. S. 111–114; Teresa Fitzherbert, „Portrait of a lost leader. Jalal al-Din Khwarazmshah and Juvaini“, in: The Courts of the Il-Khans, hrsg. v. J. Raby und T. Fitzherbert, Oxford 1996, S. 63–75, beS. 69–75; Ausst.-Kat. Splendeurs persanes. Manuscrits du XIIe au XVIIe siècle, Bibliothèque Nationale de France, Paris 1997, Nr. 7, S. 41; Ausst.-Kat. New York 2002, Nr. 1, S. 244.

31 Vgl. etwa f.121 r. des Codex Rossanensis, Rossano Erzbischöfliche Bibliothek, wo das Schema christlich gewendet als Autorenbild im Rahmen des Markusevangeliums Verwendung findet. Ettinghausen, 1959, S. 48–49 und Eva R. Hoffmann, „The author portrait in thirteenth-century Arabic manuscripts: a new Islamic context for a late-antique tradition“, in: Muqarnas, 10, 1993, S. 6–20.

32 Zu dieser von Ettinghausen und Simpson vorgeschlagenen Deutung vgl. Fitzherbert, 1996, S. 71–72, die die Interpretation mit guten Gründen zurückweist. Zur Lebensgeschichte Juvainis vgl. Boyles Vorwort in Juvaini, 1997, S. XXVII–XXXVII.

33 Fitzherbert, 1996, S. 70. Juvainis Einstellung gegenüber der mongolischen Eroberung wird durch ein Zitat aus Ferdausis Shahnamah beleuchtet, das Juvaini angesichts der Niederlage seiner Heimatprovinz Khurasan anführt: „If a whirlwind springs up from a corner, / and casts an unripe orange to the earth; / Shall we call it tyranny or justice? / Shall we consider it virtue or wickedness? Die Antwort in Firdausis Epos lautet: „Shoud death cinch tight the saddle on its steed, / know this, that it is just, and not unjust. / There‘s no disputing justice when it comes. / Destruction knows both youth and age at one, / for nothing that exists will long endure.“ An anderer Stelle ruft Juvaini in ähnlichem Sinn die Sure 51 des Koran ins Gedächtnis: „When the event befalleth, there is no denying that it will befall, Abasing [some], exalting [others].“

34 In der Deutung von Falke und Kranich hat Fitzherbert, 1996, S. 73 wohl zurecht auf eine Passage aus Rashid al-Dins Geschichtswerk Jami’al-tawarikh hingewiesen, in der sich der jugendliche Dschingis Khan als Falke beschreibt, der die als blaufüssige Kraniche charakterisierten Nachbarvölker seinem Vater als Beute bringt. Unter den Wolken im chinesischen Stil findet sich „le champignon d‘immortalité“, ein Symbol der Unsterblichkeit (vgl. Ausst.-Kat. Paris 1997, S. 41).

35 Grace D. Guest and Richard Ettinghausen, „The iconography of a Kashan Luster Plate“, in: Ars orientalis, 4, 1961, S. 25–64.

36 Der spektakuläre Fund mehrerer im Permafrost erhaltener Gräber aus Pazyryk im Altai erlaubte es erstmals dem Ausgräber Rudenko die in der sibirischen Sammlung von Zar Peter dem Grossen verwahrten Stücke näher zu datieren und eine geographische Einordnung vorzunehmen. Der von Rudenko durchgeführte Vergleich mit den Fundobjekten aus Pazyryk wurde durch die sorgfältige Untersuchung John F. Haskins, „Targhyn – The Hero, Aq-Zhunus – the Beautiful, and Peter‘s Siberian Gold“, in: Ars Orientalis, 4, 1961, S. 153–169 bestätigt, dort auch eine Zusammenfassung der Forschungsdiskussion mit Vorstellung der erhaltenen Archivalien zur Sammlungsgeschichte. Die nachfolgende Forschung hielt an der Datierung in das 5. oder 4. Jh. v. Chr. und der Einordnung in den Umkreis der Nomaden des Altaigebietes fest. Vgl. dazu die jüngste Publikation der Stücke im Ausst.-Kat. The Golden Deer of Eurasia. Scythian and Sarmatian Treasures from the Russian Steppes. The Metropolitan Museum of Art, New York 2000, Katnr. 212, S. 290–292.

37 Das komplexe Netz von Anleihen, die die Kunst der nomadischen Völker der asiatischen Steppe von der Produktion der umliegenden Hochkulturen nahmen, wird von Ann Farkas, „Fillikovka and the Art oft the Steppes“, in: Ausst.-Kat. New York 2000, S. 3–17, zu Pazyryk, S. 13–15 angesprochen. So kopieren die aus den Gräbern von Pazyryk erhaltenen Teppichfragmente etwa Motive, wie wir sie aus dem Palast des Darius aus Persepolis kennen. Auf den Zusammenhang mit der persischen Kunst wurde für die Stücke in der Sammlung von Zar Peter dem Grossen bereits von Rostovtzeff hingewiesen. Vgl. M. I. Rostovtzeff, „The great hero-hunter of Middle Asia and his exploits“, in:Artibus Asiae, 4, 2–3, 1930–32, S. 99–117.

38 Rostovtzeff, 1930–32, S. 107. Während Rostovtzeff die genaue Bezeichnung der Szene offen liess, schloss sich an seine Überlegungen eine umfangreiche Forschungsdiskussion an, die eine solche Bestimmung versuchte. Von Griaznov und Rudenko wurde als Vorlage der Szene eine Episode eines türkisch-mongolischen Epos vorgeschlagen, die von einem gestürzten Heros berichtet, welcher von seiner Geliebten und dem Bruder unter einem Pappelbaum wieder zum Leben erweckt wird. Haskin, 1961 geht mit dem Hinweis auf das kasachische Epos von Targhyn und Aq-Zhunus in eine ähnliche Richtung. Weitergesponnen wurde diese Tradition durch Helmut Nickel, „The Dawn of Chivalry“, in: Ausst.-Kat. From the Lands of the Scythians. Ancient Treasures from the Museums of the U.S.S.R., 3000 B.C.–100 B.C., New York, Los Angeles 1975, S. 150–152. Seine Überlegungen blieben jedoch, wie die seiner Vorgänger, spekulativ, nicht zuletzt, da sich die in Erwägung gezogenen Epen alle erst im MA nachweisen lassen. Vgl. dazu die grundsätzliche Kritik im Ausst.-Kat. Gold der Skythen: Schätze aus der Staatlichen Eremitage St. Petersburg, Hamburg 1993, Katnr. 85, S. 158–159. Jüngst wurde wieder auf die antike persische Liebesgeschichte von Zariadres und Odatis als mögliche Quelle verwiesen, Ausst.-Kat. New York 2000, S. 292.

39 Giorgio Agamben, L‘ouvert. De l‘homme et de l‘animal, Paris 2002 (orig. it. L‘aperto. L‘uomo e l‘animale, Turin 2002), Kap. 19 „Dèsœuvrement“, S. 127–131.

40 Robert Walser, Das Gesamtwerk. hrsg. v. Jochen Greven, Genf, Hamburg, 1966–1975, Bd. 3, S. 149. Der im Text beschriebene „Strick und Tagedieb“ bezieht sich auf eine Figur aus einem Bild von Robert Walsers Bruder Karl, das einen rastenden Mann in Rückenlage unter einem Tannenbaum liegend zeigt. Vgl. Peter Utz, Tanz auf den Rändern. Robert Walsers Jetztzeitstil, Frankfurt am Main 1998, S. 122–124, Abb.4.

41 Die Zähmung des Pferdes durch seine Wendung gegen die Sonne und das an Alexanders Erfolg als Rossebändiger geknüpfte Orakel Philipps überliefert Plutarch in seiner Alexanderbiographie, Vgl. Anderson, 1930, S. 1–3.

42 In der Legende stirbt das Ross gemeinsam mit seinem Herrn. Man führt es an das Totenbett, wo Alexander, die Machtlosigkeit des Schlachtpferdes betrauert, ihn jensseits des Feldes aus der Todesgefahr zu retten. Bucephalus tötet darauf den Mörder, um gleichzeitig mit Alexander, den Kopf am Kissen seines Herrn, weindend mit ihm das Leben auszuhauchen. Vgl. Anderson, 1930, S. 15.

43 Vgl. dazu Agamben, 2002, Kap.17 „Anthropogenèse“, S. 119–121.

44 Franz Kafka, Beim Bau der chinesischen Mauer und andere Schriften aus dem Nachlass, «Oktavheft B», Frankfurt am Main 1994, S. 54–55. Zur Anspielung auf Atta Troll vgl. Georg Sterzenbach, „Streitross und Bettungeheuer. Zum Advokatenbild Franz Kafkas“, in: Neue juristische Wochenschrift, 50, 17, 1997, S. 1124–1129.

45 Heinrich Heine, Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke, Bd. 4, hrsg. v. Manfred Windfuhr und Winfried Woesler, Hamburg 1985, „Atta Troll. Ein Sommernachtstraum“, Anhang I, Bruchstücke, C9, S. 218.

46 Der am Schiff gefangene Affe Rotpeter wählt den Ausweg, zum Mensch zu werden, um weiterzuleben. Mit dieser Option schlägt er die Freiheit aus, die ihm vielleicht als Tier noch offen stand. Der Weg zurück wird durch den Fortschritt im Prozess der Vermenschlichung nahezu verunmöglicht. „Wenn überhaupt die Kräfte und der Wille hinreichen würden, um bis dorthin zu gelangen“ so ist das Loch in der Ferne, das ihn mit dem Affentum verbindet, so klein geworden, dass er sich „das Fell vom Leib schinden müßte, um durchzukommen“ Vgl.Rotpeters „Bericht für eine Akademie“ in: Kafka, Drucke zu Lebzeiten, 1994, S. 300.

47 Virginia Museum of Fine Arts, von dessen Website die obige Beschreibung zitiert wird. Vgl. Joseph M. Dye III, The Arts of India. Virginia Museum of Fine Arts, Virginia, 2001, Katnr. 118, S. 303–304.

48 Übersetzung des in Braj verfassten Textes nach Dye, 2001, S. 303. Zum Thema der Lalita Ragini vgl. auch Anna Libera Dahmen-Dallapiccola, Ragamala-Miniaturen von 1475 bis 1700, Wiesbaden 1975, S. 109–119.

49 Ragamala, ca. 1750, Poona, B.I.S. Mandal Museum, Inv. Nr. 895–906.

50 Zum Motiv des offenen Tors, das geschlossen werden muss, damit der Mann vom Lande zum Gesetz eintreten kann, Giorgio Agamben, Homo Sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a. Main 2002, S. 66–68. Vgl. auch die Untersuchung, von Michael Schwarz, „Ein beschlagener Bürohengst. Der neue Advokat von Franz Kafka und seine Aufnahme bei Benjamin“, in: Frankfurter Adorno Blätter, V, 1998, S. 188–195.

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