Gerhard Johann Lischka

FremdSelbstBild

BILD

Was sehen wir, wenn wir auf irgendetwas in der Welt, in der Umwelt hinschauen? Zunächst bestimmt ein Bild, das dem Gesichtskreis unseres Augenpaares entspricht. Also ein Breitformat, das uns jedoch nicht eingerahmt, sondern der Blickrichtung adäquat ganzheitlich rund erscheint. Nahtlos reihen sich Eindrücke an Eindrücke ohne uns speziell als Bild vorzukommen, wir tauchen in das Kontinuum des In der Welt Seins ein und machen uns eigentlich keine Gedanken um die Bildhaftigkeit der Wahrnehmung unserer Umwelt. Selbstverständlich kommen zur Vervollkommnung eines Jetzt-Zustandes die Beschaffenheit des Standpunktes, an dem wir uns befinden, die eigene Gestimmtheit, die Atmosphäre klimatischer und gesellschaftlicher Art usw. dazu, wir sind aber Teil einer Szene, eines dreidimensionalen Bildes, das wiederum Teil unseres Weltbildes ist.

REPRÄSENTATION

Machen wir Techno-Bilder von Szenen, treten wir hinter die Apparate zurück und rahmen eine Szene, die vereinfacht gesprochen dokumentarisch oder inszeniert ist. Überhaupt ist jedes Bild, das wir uns von der Welt machen, eine auf eine Fläche reduzierte aus Farben und Formen gebildete Repräsentation. Diese ist entweder Ornament oder Schrift, realistisch oder abstrakt. Kommt die dritte und vierte Dimension dazu, wird die Szene selbst zur Installation, zur Raumgestaltung, zur Bühne usw. und ersetzt eine dokumentarische Szene durch eine inszenierte. Das Wechselspiel zwischen der Zwei- und Mehrdimensionalität ist dabei mental nicht fixierbar, weil das Zoom unserer optischen Wahrnehmung ständig in Bewegung ist, Scharfeinstellungen vornimmt und sprunghaft Totale und Grossaufnahme registriert. Wir sind mit dem Bild im Bilde.

BILDERSPRACHE

Seitdem es Bilder gibt, ist ein Bild sowohl ein Bild als auch eine ideelle Ausformung, eine Repräsentation vom Leben, von der Fauna und Flora, den Dingen, Räumen, Menschen und Vorstellungen, ein Zurücktreten, eine Distanznahme und zugleich eine Stellvertretung. Bilder sind, da wir Begriffe sehen, wenn wir die Welt beobachten, auch eine Sprache, die dennoch nicht mit der Sprache verwechselt werden kann. Die Bildersprache, die Laut- und Schriftsprache, bilden zusammen eine nie zur Ruhe kommende Einheit, eine sich gegenseitig abstossende Anziehung oder anziehende Abstossung, die uns die Welt erklärt und gleichzeitig erschafft. Das Bild beherrscht die Sprache, wie die Sprache die Bilder beherrscht. Durch gegenseitige Verweise bilden sie eine Präsentation durch Repräsentation, sind sie die Bewertung, Erkundung und Erschaffung der Welt jenseits des Schweigens der Natur (als Natur).

EBENBILD

Bis zur Bildgenerierung durch Apparate hatten wir Abstand zu den Bildern, besser gesagt, sie schafften sich den Abstand von ihnen, denn sie verkörperten die Herrschaft, das Numinose, wir verehrten sie oder sie verzückten uns. Und selbst bei Bilderverbot entwickelte sich doch die Macht des Nicht-Abgebildeten als inneres Bild, als Vorstellung. Das Ebenbild war das Vorbild, das Original, das alle in seinen Bann zog und einzigartig sein musste. Idolatrie und Ikonoklasmus sind die zwei Seiten derselben Medaille, denn sie sind das Bild des/der Anderen, der/die man selbst nicht sein kann, die Trennung zwischen "dort oben" und dem "da unten". Das Bild markiert auch die Grenze zwischen Leben und Tod, zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit, zwischen Subjekt und Objekt.

INTERMEDIA

Ist aber heute eine so klare Zuschreibung der Bilder zum Pol der Objekte noch möglich? Sind Bilder nicht zu einem Medium geworden, das die Grenzen zwischen Subjekt und Objekt verwischt und einen Zwischenzustand des Unbestimmten, des Intermediären einnimmt, der unser Selbst mit dem Anderen mischt und subjektive Identität in objektive Differenz verwandelt? Wir werden durch die apparative Wachstumsdynamik selbst als Bilder instantan abrufbar und führen in der durch Reality gefilterten Realität ein Leben in und mit Bildern. Wir werden als Fremde durch Bilder zu Vertrauten, allein schon auf medialem Wege. Und wir entdecken unser Selbst im Anderen, der uns medial erscheint. Wie können wir da noch von unserem Ego sprechen? Oder können wir es gerade durch die Bilder?

MONITOR

Es steht ausser Zweifel, dass wir im Umgang mit Bildern unser eigenes Bild generieren und uns nicht mehr allein einem menschlichen Gegenüber und dem Spiegelbild aussezten als einem unerbittlichen Gegenüber durch und mit uns selbst. Im Monitorbild (Foto,Film,Video) registrieren wir uns als "realistische" Aufzeichnung und treten uns nicht mehr wirklich oder seitenverkehrt gegenüber, sondern wir sehen uns in vielen Situationen fixiert oder live als Mediatisierte. In Schwarzweiss oder in Farbe, auf Papier oder Zelluloid, als Komposition aus Pixeln werden wir zu einem Pixel mit allen anderen Pixeln auf dem Monitor der Menschheit auf diesem Planeten. Wir dringen durch uns hindurch und finden unser Selbst als einen Teil der Anderen im Erscheinen und Verschwinden der korporalen oder medialen Präsenz. Durch das Bild sind wir im Bilde und konstruieren unsere Einbildungskraft.

MEDIATION

In der Megamaschine der Image-Bildung droht bestimmt jedes symbolische Bild in Klischees sich aufzulösen. Ikonen gleich verhärten sich die Konturen, die unendlich vielfältig und chaotisch, ja fraktal, zu harten Umrissen, die Grenzziehungen der Macht sind. Das ist die übliche auf der Masse Mensch als Negativ bauende Image-Mache des exklusiven Managements. Dem steht jedoch das Positiv der inklusiven Konstruktion des eigenen Im Bilde Seins gegenüber. Zunächst in Akzeption der Mediatisierung und ihrer De-/Codierung. Dieses Im Bilde Sein der Autopoiesis kann aber poetisch überhöht sein, wenn wir uns an künstlerischer Eingebungs- und Umsetzungskraft ergötzen und sehen, dass Bilder durch Bilder über Bilder sich zu einem uns die Augen öffnenden und das Rätsel der Welt beschwörenden Aus Uns Heraustreten beflügeln. Wie sehen dann, dass wir im Bilde das Bild von uns durch die Anderen vorgehalten bekommen, um im Bilde der Anderen selbst im Bilde zu sein.

FREMDSELBSTBILD

Bilder sind im besten Sinne des Wortes ambivalent: Sie sind das Fremde und sie drücken das Selbst (das eigene oder das des Anderen) aus. Wir müssen ihre Sprache verstehen, sie zu lesen lernen, sie sind uns zunächst fremd oder sie bleiben uns fremd. Wir können uns dank der Bilder aber auch selbst so ins Bild setzen, dass wir Bilder für uns sprechen lassen. Jedes Bild ist ein FremdSelbstBild, indem wir durch das Fremde zu uns finden und uns selbst so gebärden, dass die Anderen ein Bild von uns erhalten. Bleiben wir uns selbst fremd, verfügt das Bild als Herrschaftsbild und Image über uns. Eignen wir uns das Selbst durch das Fremde des Bildes an, sind wir im Bilde und haben zusammen mit der Sprache einen raffinierten Code zur Generierung von Wirklichkeit. So können wir uns, als Pixels selbst im Bilde, durch Inklusion von der Exklusivität der Images zur Vielfalt der Bilder und Ideen öffnen und sie mitgestalten.

Thomas Feuerstein
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Ulrike Mair
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G. J. Lischka
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Rainer Fuchs
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Margarete Jahrmann
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Maia Damianovic
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