"Das Leben und Handeln in mediatisierten Wahrnehmungs- und Diskursfeldern als alltägliche Gegebenheit bildet einen der Ausgangspunkte für Thomas Feuersteins Arbeiten. Indem der Künstler bereits vorhandene Daten und Transfersysteme benutzt, wie sie im Wissenschaftsbetrieb sowie im Wirtschaftsgeschehen und in der Informationsindustrie verwendet werden, wirft er implizit die Frage auf, ob und wie eine kritisch distanzierte Analyse von Medienfunktionen in einem System omnipräsenter Mediatisierung überhau pt möglich ist, ohne dieser Mediatisierung zu erliegen bzw. sie einfach fortzuschreiben. Für die Wiener Ausstellung entwickelte Feuerstein ein Projekt mit dem Titel "Eugen", in welchem er das Aktivieren von Datennetzen mit dem Einschleusen eigener Informationen in vorhandene Datenbanken verbindet. Die dabei vom Künstler abgegebene Inform ation ist die eigene genetische Erbinformation und das dafür benutzte System ist die California Cryobank, ein Institut, das sich der Reproduktionsmedizin widmet und Samen- und Eizellen tiefgekühlt lagert und kommerziell vertreibt. Die damit indirekt zum T hema erhobene Gentechnologie erscheint als die aktuellste und existenziellste Form von Informationstransfer mit manipulativen und korrektiven Absichten. Gentechnische Erbinformation und Information als medial produzierter und kommunizierter Wissenstransfe r sind im Horizont der Reproduktionsmedizin und Gentechnologie längst korrelative Phänomene. Sie repräsentieren nicht mehr die Polarität zwischen unhintergehbarer Naturgegebenheit und konstruierter Message, sondern sind in den Speichern und Netzen humanbi ologischer Fabriken als Warenpaket fusioniert. Von der Möglichkeit frei wählbarer Identitäten für eine mitunter auch erotisch besetzte Netzverbindung bis zu vernetzten Simulationsapparaturen für Cybersex existiert ein breites Spektrum telematischer bzw. künstlich erweiterter Körper mit erotisiere nden Bestimmungen. Die sich darin abzeichnende Virtualisierung von Partnerschaften in Richtung einer telematischen Gesellschaft mit virtuellen Ansprüchen entwirft eine Welt der Surrogate und des Spiels, die in der Welt der Gentechnologie und ihrer Verwert ungsstrategien ein Korrelat von weitaus unterschwelligerer, aber dafür umso effizienter Wirksamkeit besitzt. Feuersteins Projekt bedeutet daher auch die Zuspitzung jener Thematik, die das Begriffsfeld des Körpers vor dem Hintergrund seiner Mediatisierung und Technologisierung konturiert. Nirgends wird die Künstlichkeit der Natur augenfälliger als in der scheinbar natürlichen Gestalt des geklonten Menschen. Aber auch nirgends sonst ist diese Künstlichkeit undurchschaubarer. Das medial gesteuerte Produzieren von Menschen durch den Menschen über das Medium Gentechnologie und deren organisatorische und apparative Einrichtungen, wirft unter anderem biologische, medizinische, philosophische, juristische und kommerzielle Frag en nach der Urheberschaft und "Autoevolutiven" Steuerung des Menschen auf. Diesen Problemkomplex in den Kunstkontext zu rücken, mündet in eine Wechselwirkung, wobei die Cryobank zum "Museum" wird und der Künstler anstelle von Bildern und Objekten dort sei ne genuine Biographie in Form seiner DNA einschreibt. Die Information darüber kann der Ausstellungsbesucher einer beleuchteten Schautafel entnehmen. Feuersteins Projekt beinhaltet also Informationen über die Industrie des Human Design. Der Künstler bricht damit gerade jenen Bann der Anonymität und Informationssperre, die dieses System so reibungslos funktionieren läßt und bewirkt damit dessen reflexive Zurschaustellung innerhalb des Informationssystems Ausstellung. Daß die menschliche Figur als kommerziell okkupiertes Territorium im Angebot- und Nachfragezyklus des Human Design nicht nur Faktum im Bereich der Gentechnologie ist, sondern längst auch Relevanz für die Pharma- und Kosmetikindustrie besitzt, beleuch tet Feuerstein buchstäblich in einem weiteren Ausstellungsobjekt. Im Spiegelobjekt "HUGO Couture" (HUGO= Human Genome Organization), das bei Betrachtung/Benutzung sich als Leuchtkasten mit den Umrissen einer androgynen menschlichen Gestalt erweist, bezieh t sich der Künstler auf die Schönheitsindustrie und deren auf den menschlichen Körper zielende Vermarktungsstrategien. Linien unterteilen die Figuren in einzelne Segmente, die mit Firmenlogos und Produktnamen versehen sind. "Aus der Haute Couture - der ho hen Kunst der Schneiderei - wird eine Haut-Couture, eine Zerschneidung der Haut, eine Segmentierung des Körper, wie wir sie aus Kochbüchern von Schweinen und Rindern kennen" (Feuerstein). Der Blick in den Spiegel zeigt also die Einschreibung in den Körper bzw. die sich in Marktanteilen definierenden Körperpartien. Die Verwertbarkeit des Körpers, die kommerzielle Ausschlachtung seiner Schwächen und Begierden zeichnen sich gerade in dem Maße ab, in dem das natürliche Abbild beim Blick in diesen Spiegel verl ischt. Erst der blinde Spiegel informiert über die Allgegenwart eines raffinierten Marktes." [Rainer Fuchs, "Information", in: Ausstellungskatalog Coming up, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Wien 1996, S. 40 ff.] |
"Thomas Feuerstein's works focus, inter alia, on day-to-day living and acting in media-affected realms of perception and discourse. By using existing data and transfer systems employed in science, business and the information industry, the artist imp licitly raises questions as to whether (and how) a critical analysis of media functions in a system of media omnipresence is possible without falling prey to, or simply perpetuating, this omnipresence. For the Vienna exhibition, Feuerstein developed a project entitled "Eugen" in which he combines the activation of data networks with the channelling of his own information into existing data bases. The information provided by the artist is his own ge netic information, and the system used for this purpose is the California Cryobank, an institute for reproductive medicine where frozen sperm and egg cells are stored for subsequent commercial distribution. Genetic engineering, which has thus become the i ndirect topic of this project, appears as the most current and existential form of information transfer with manipulative and corrective intentions. With reproductive medicine and genetic engineering looming large on the horizon, genetic information and i nformation as a knowledge transfer produced and communicated by the media have long become correlating phenomena. They no longer represent the polarity between a genuine natural condition and a constructed message, but they are combined into packaged good s, stored in the networks of human biological factories. There is a wide range of telematic or ertificially extended bodies, offering everything from a free choice of identity in a (sometimes erotically connoted) network connection to interlinked simulation devices used for cybersex. The increasingly virtu al character of personal relationship leads to a telematic society with virtual claims and sketches a world of surrogates and games; it correlates with a world of genetic engineering and strategies for putting it to use which is certainly not as conspicuo us, yet all the more efficient in its workings. Feuerstein's project focusses on a topic in which the concept of the body is seen against the backdrop of media and technology influencing it. Nowhere is the artificiality of nature more obvious than in what seems to be the natural appearance of a cloned human being, and nowhere is this artificiality more obscure and enigmatic. The media-controlled production of humans by humans by resorting to genetic engineering, its organizational structure and its machines raises biological, medical, philosophical, legal and commercial questions as to the authorship and the "auto-evolut ionary" control of mankind. Moving this problems into the artistic realm results in an interaction, the Cryobank becoming the "museum" and the artist, rather than displaying his pictures and objects, providing his genuine biography in the form of his DNA. Information on this is displayed for exhibition visitors on a luminous board. Feuerstein's project, therefore, contains information on the human design industry. The artist breaks the very spell of anonymity and information blackout which allows for such a smooth functioning of the system, thereby bringing about its reflexive display within the information system of the exhibition. The fact that the human figure, as a commercially occupied territory in the offer and supply cycle of human design, is not just reality in the field of genetic engineering, but has also acquired an undisputed relevance for the pharmaceutical and cosm etic industry is "illuminated" by Feuerstein in another exhibition object. In the mirror object "HUGO Couture" (HUGO stands for Human Genom Organization), which, when viewed or used, turns out to be a light box with the contours of an androgynous human be ing, Feuersteinrefers to the beauty industry and its marketing strategies targeted at the human body. Lines subdivide the figures into individual segments provided with company logos and product names. "Haute couture - the art of dressmaking and designing - becomes a "Hautcouture", or "skin couture", a process of cutting the skin and segmenting the body, frequently illustrated in cookbooks with pigs and cows" (Feuerstein). The gaze into the mirror shows the inscripzion of the cosmetics industry into the b ody, or the body parts defined as market shares. As the utilization of the body and the commercial exploitation of its strengths and desires become more and more obvious, the natural image disappears when looking into this mirror. It is only the blind mir ror which can give information on the omnipresence of a refined market." [Rainer Fuchs, "Information", in: Ausstellungskatalog Coming up, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Wien 1996, S. 41ff.] |